Ich
bin Andreas Artmann. Ich beschäftige mich schon seit 1997 mit den
Tauschringen. Zuerst nur als aktives Mitglied in einem münsteraner
Tauschring. Später auch auf Bundesebene.
Nach meiner aktiven Zeit im Tauschring habe ich einige Jahre das
Tauschmagazin als Zeitschriftenprojekt herausgegeben.
Eine der Fragen die immer wieder an meinem persönlichen
Erkenntnishorizont auftaucht, ist: Was zum Himmel war - und ist - an
dem Thema Tauschring so aufregend, dass ich mich nun schon über 22
Jahre damit beschäftige?
Sofort erscheinen viele Erinnerungsblitze: Meine Zeit als
herumreisender Maschinebau - Monteur im goldenen Dreieck in der ich
ein kleines Vermögen verdiente. Seinerzeits schwamm ich förmlich im
Geld. Die Zeit in der ich - auch als Gobetrotter - alles Geld wieder
verlebte. Dann die Zeit als ich seßhaft wurde und aufeinmal die
andere Seite, die auf Schulden aufgebaute Abhängigkeit kennenlernte.
Meine persönliche Entwicklung von einem "Muttersöhnchen"
zu einem "gestressten Manager". Aus diesen persönlichen
Erlebnissen ergab sich schon bei meiner ersten Begegnung mit dem
Begriff Tauschring eine tiefberührende Faszination, die ich erst im
Laufe der Zeit immer besser zu verstehen begann. Mit dem Eintritt in
einen Tauschring, der Lokalen
Wirtschaftsinitiative "LOWI" in Münster, begann eine
bis heute andauernde Beziehung zu dieser Thematik. Danach folgten
Erlebnisse auf den Bundestreffen
der Tauschringe, als Betreiber des Ressourcen-Tauschring
(RTR), die Auseinandersetzung mit dem Thema Regionalgeld,
die Einführung des Bundesarbeitstreffens
der Tauschringe, die Entstehung des Tauschwiki,
meine Zeit als Herausgeber des Tauschmagazins
und aktuell die Eröffnung dieses Blog´s.
Schon in dieser kurzen Einleitung glitzert die Vielfalt und die
Vielschichtigkeit der Erlebnisse und Erfahrungen hindurch. Mit
Abstand betrachtet wirken Tauschringe auf mich wie ein kleines Abbild
der Gesellschaft. So eine Art gesellschaftlicher Sandkasten, in dem
Menschen Experimente wagen können und neue Verhaltensweisen
ausprobieren und erproben können. Anfangs glaubte ich sogar an die
"weltbewegende" Kraft der Idee. Doch mit den Jahren erlebte
ich auch Stagnation und Besitzstandswahrung. Der Glanz der
revolutionären Idee verlor sich immer mehr. Heute trenne ich die
forschende Beschäftigung mit den Erfahrungsfeldern die Tauschringe
in der Praxis bieten von der Mitgliedschaft bzw. der praktischen
Mitarbeit in einem Tauschring.
Ich glaube nach wie vor an die gestalterische Kraft des Slogans
"Tauschen ohne Geld". Allerdings versteh
ich heute die Begriffe "Tauschen" und "Geld"
vollkommen anders als zu Zeiten meines Einstiegs. Tauschen verstehe
ich heute mehr in Richtung "austauschen",
"kommunizieren", "solidarische
und nachhaltige Lebenszusammenhänge organisieren".
"Ohne Geld" verstehe ich speziell in
diesem Satzzusammenhang eher als "Ohne Hirarchie" oder
positiv gesprochen "Egalitär". Einige
Tauschringausprägungen haben dies ja auch ausgedrückt mit dem Satz:
Lebenszeit ist Lebenszeit. Egal ob Toiletten putzen oder
Computerhilfe.
In dem letzten Absatz zeigt sich für mich eine grundlegende
Schwierigkeit. Die Begriffe verändern sich im Laufe eines Lebens.
Ich glaube sogar Sie verändern sich noch viel tiefgreifender im
Verlauf von Generationen. Und somit stehen wir als Gemeinschaft immer
wieder vor einer schwierigen Entscheidung.
Ist es sinnvoll und unterstützend die eingeführten Begriffe
- hier z-B. Geld - mit neuem, aktualisiertem Inhalt zu füllen und
damit unsere Wurzeln zu achten oder ist es angebracht den alten
Begriff loszulassen und und eine ganz neue Wortpflanze zu setzen?
In meiner Tauschringpraxis - ich bin seit 2014 kein Mitglied mehr
- habe ich etwas Wichtiges zu dieser Frage gelernt.
Begriffe können nur eine grobe Orientierung geben.
Wirklich Wichtig ist es allerdings wie wir im Alltag mit unseren
Mitmenschen und unserer Umwelt tatsächlich umgehen. Schon früh in
meinem Leben habe ich mir dazu den Begriff "Ungeprüfte
Vorstellung" zu eigen gemacht. Einer ungeprüften
Vorstellung aufzusitzen geschieht sehr schnell. Kaum haben wir etwas
ein oder zweimal auf eine bestimmte Weise erlebt, schon ergibt sich
in unserem Denken ein Muster. Dann sage ich: Das ist so und
so, nicht mehr das habe ich die letzten zweimal so erlebt - und es
kann in der Zukunft jederzeit wieder anders sein.
Ich erinnere mich an dieser Stelle an eine Geschichte die mir mein
Vater erzählt hat und die die Auswirkungen dieses Verhaltens
ziemlich radikal auf den Punkt bringt : Ein Kollege meines Vaters -
seines Zeichens auch Reisebusfahrer - kommt mit seinem 12 Tonnen
schweren Bus nach Hause. Damals war es durchaus üblich den
Angestellten dies zu erlauben. Nun sah er vor seinem Haus den leeren
Waschmaschinenkarton stehen. Ach ja, heute war ja die neue Maschine
gekommen. Diese Kartons sind immer sehr stabil. Warum also sollte er
die Mühen auf sich nehmen und nach der anstrengenden Schicht mit
körperlichem Einsatz mühsam diesen Karton zerreißen. Viel
einfacher ist es doch einfach mit dem Bus über den Karton zu fahren
und Ihn "platt zu machen".
VORSICHT - UNGEPRÜFTE VORSTELLUNG
Ja, vielleicht ahnen ja einige schon welcher ungeprüften
Vorstellung dieser Mensch aufgesessen war. Jedenfalls konnte der
Kollege im Nachgang nicht mehr sagen, warum er das Problem dann
eigentlich doch nicht mit dem Bus erledigt hat. Als er an dem Karton
vorbeifahrend in seinen Aussenspiegel schaute, blieb ihm fast das
Herz stehen. Er sah seinen eigenen Sohn aus dem Karton krabbeln. Für
Ihn war das eben kein leerer Karton sondern eine Bude, die es zu
entdecken galt.
Ja, Krass. Und ... hat nicht schon jeder eine ähnliche Situation
erlebt. Vielleicht nicht immer mit so bedrohlichen Konsequenzen.
Sich auf Begriffe zu verlassen bedeutet also ein Stück weit
einzuschlafen. Damit verlieren wir schleichend den Bezug zum
Augenblick und irgendwann fangen wir an am eigentlichen Leben
vorbeizuleben. Das einzig hilfreiche Mittel ist Achtsamkeit und zwar
Täglich, Stündlich, Augenblicklich. Nicht umsonst gibt es in
manchen Klöstern die Achtsamkeitsglocke. So Sie geläutet wird
verharrt jeder in einem Moment der Stille, des Nicht - Tuns, des
bewussten Spürens, des im Augenblick ankommens.
Nun ich hoffe ich konnte Dich ein wenig an der Faszination
teilhaben lassen, die mich vor langer Zeit erfasst und eigentlich nie
mehr losgelassen hat.
Nun da ich diesen Satz "Es gibt gar keine Tauschringe in Deutschland!" endlich mal ausgesprochen habe, tun sich ganz neue Möglichkeiten auf. Was sind das denn dann für Initiativen in denen sich Menschen unter einem bestimmten Begriff zusammenfinden. Vielleicht bedarf es vorerst keiner Differenzierung innerhalb der Tauschringe bzw. weiter gefasst der Tauschsysteme. Vielleicht ist der wichtigere Schritt ja das Gemeinsame herauszuarbeiten.
Ich erinnere mich noch sehr genau an unseren Ansatz für das Bundesarbeitstreffen der Tauschringe (BATT) 2008 in Nordwalde: Wir wollten gemeinsam untersuchen inwieweit sich unter dem Begriff Tauschring vielleicht so unterschiedliche Ideen summieren, dass es sinnvoll ist diese Ideen begrifflich zu differenzieren. Wir hatten gehofft, dass sich dann aus dem relativ undifferenzierten Tauschringbrei verschiedene Arten herauskristallisieren und diese verschiedenen Arten sich dann viel kräftiger Entwickeln. Doch dies wurde von den Menschen als Separatismus wahrgenommen und Sie wehrten sich mit Händen und Füßen.
Vielleicht wird ja umgekehrt ein Schuh draus. Damals war es unglaublich wichtig sich "gemeinsam" zu fühlen. Vielleicht ist ja das Gemeinsame in ersten Schritt tatsächlich viel wichtiger und das Spezielle zuerst zu vernachlässigen.
Gerade erinnere ich mich an mein Erleben des Tauschforums 2016 in Luzern (Schweiz). Geladen als Speaker zum Thema "Die Zukunft des Tauschens" war ich schon morgens anwesend und hörte der Versammlung zu, um ein Gefühl für die Wünsche der anwesenden Menschen zu bekommen. Und tatsächlich habe ich dann meinen geplanten Vortrag gecancelt um ein offenes Gespräch mit den Teilnehmern zu führen. Mir schienen die Intentionen der Aktiven dieses Treffens doch sehr unterschiedlich. Obwohl Sie die gleichen Begriffe verwendeten, schienen Sie doch Unterschiedliches ausdrücken zu wollen. So stellte ich vor der Mittagspause die Frage: Mit welcher grundsätzlichen Intention seid Ihr in euren Tauschring eingetreten? Mit einer Sozialen, Solidarischen oder mit einer Wirtschaftlichen?
Nach der Pause war ich nicht sonderlich überrascht, das 95 % eindeutig aus sozialen Gründen in Ihren Tauschring eingetreten sind. Nur ein einziger Vertreter eines wirklich professionell organisierten Tauschsystems nannte wirtschaftliche Intentionen als Beweggrund.
Spannend dabei war, dass alle mit Begriffen wie Guthaben, Schulden und Buchhaltung hantierten. Doch das Verständnis hinter diesen Begriffen war fundamental Anders.
Für mich deckt sich diese Wahrnehmung mit vielen Erlebnissen in meiner aktiven Tauschingzeit. Ich dachte als Unternehmer ich wäre in eine Lokale Wirtschaftsinitiative (Tauschring LOWI Münster) eingetreten und musste mühselig lernen, dass die wirtschaftliche Ausrichtung - die in der Gründungsphase sicherlich vordergründig war - sich nach und nach im Tauschalltag verwandelt haben musste.
Denn auch der LOWI hatte ein horrende überzogenes Verwaltungskonto das mit ca. 1.650 Stunden (33.000 Talente) im Minus stand. Aber niemand störte sich daran. Es wurden Talente für Vereinsarbeit ausgegeben als wenn es kein Morgen gäbe. Später lernte ich dann auch andere Tauschringe kennen, die ein noch viel höher überzogenes Verwaltungskonto hatten. Und das Faszinierende: Fast alle diese Tauschgemeinschaften schienen trotzdem lebendig zu sein. Ich habe lange nicht verstehen können, wie das möglich sein kann.
Doch unter dem neuen Focus "Intention" kann ich langsam erahnen, dass es vielen Menschen nie um wirklichen Tausch gegangen ist. Und da scheinbar die Intentionen nie tiefgehend angeschaut wurden, konnte jeder seine persönlichen Wünsche auf und in den Tauschring projezieren. Jetzt erklärt sich für mich auf eine ganz neue Art, warum sich viele Menschen trotz des ungeklärten Intentionsbreis in Tauschringen wohl fühlen.
Jetzt wird mir auch klar, dass die begriffliche Ungenauigkeit die in dem Wort Tauschring steckt, für viele anscheinend gar kein Hinterungsgrund ist, sondern eher das Gegenteil. Da die Intentionen ungeklärt sind, kann ich fast problemlos meine eigenen Intentionen ausleben ohne je wirklich an Grenzen zu stossen.
Wenn ich jemand bin, der seine durchaus vorhandenen Talente und Fähigkeiten in der normalen € Welt nicht mehr honoriert bekommt, dann fühlt es sich natürlich super an ein dickes Stundenguthaben sein Eigen zu nennen und damit ein über ein Art Sicherheitspolster zu verfügen. Nun verstehe ich auch die Bestrebungen die Begrenzung der Limits in den Plusbereich aufzuheben noch einmal ganz neu.
Wenn ich jemand bin, der sich vom Leben abgehängt fühlt, dann kann ich konsumieren ohne an eine direkte Gegenleistung gebunden zu sein. Wenn dann durch die Orgagruppe oder den Vorstand eine fast grenzenlose Schöpfung von Minusstunden zugelassen wird, bin ich genauso wie der Guthabenbesitzer nicht genötigt mich mit wirklichem nachhaltigem Tausch zu beschäftigen.
Eine weitere, zweigeteilte, Intention zeigt sich darin, dass in Tauschringen immer wieder Autokraten - manche sagen auch Kümmerer dazu - das Heft des Handelns in die Hand bekommen bzw. nehmen. Dies bedeutet für die Einen ein relativ unkontrolliertes Machterlebnis und für die Anderen ein bequemes versorgt sein.
Neben diesen drei Hauptintentionen gibt es sicher noch viele Andere die sich bei näherer Betrachtung herausarbeiten ließen. Doch im Moment ist es mir wichtiger von oben auf diese Erkenntnis zu schauen. Ich sehe mittlerweile in der Hauptsache ein Bedürfnis nach Gemeinschaft, nach Kontakt, nach Austausch über den persönlichen Lebenszusammenhang hinaus. In unserer individualisierten Gesellschaft fehlt anscheinend vielen ein gemeinsames Moment, ein verbindendes Element, ein sozialer Ort dem ich angehöre und in dem ich trotzdem relativ frei handeln kann.
Wenn ich jetzt noch einmal auf den Titel dieses Beitrages zurückkomme, so scheint es sich bei den Tauschringen zwar um intentionale Gemeinschaften zu handeln, aber leider um welche, die Ihre gemeinsame Intention nicht genauer ausdifferenzieren wollen.
Hier finden sich Menschen zusammen die eine große Spielwiese für Ihre eigene Interpretation von Gemeinschaft suchen und auch wohl finden. Denn sonst gäbe es nicht so viele Tauschringe in Deutschland. Da sich Intentionen immer wieder verändern und eine nachhaltige Strategie gar nicht erwünscht ist, ziehen die Einen irgendwann weiter und die Anderen kommen neu dazu. Ein stetiger Wechsel der bis zum heutigen Tage zu keiner nennenswerten, nachhaltigen Entwicklung geführt hat.
Ich persönlich finde diese Erkenntnis gerade sehr erfrischend. Denn nun kann ich mich endgültig vom dem Begriff Tauschring verabschieden.
Wohlgemerkt, von dem Begriff, nicht von der - jedenfalls für mich - dahinterstehenden Idee der Befreiung von der Diktatur des heutigen Gelddenkens.
Ich weiß, dieser Satz klingt ungefähr wie der Schlag einens Vorschlaghammers auf eine Metallplatte. Kawumm! Ich selbst erschrecke mich ja auch immer noch, wenn ich diesen Satz denke. Und verdammt - noch mal - für mich hat er einen starken Wirklichkeitsbezug.
Denn die deutsche Sprache ist sehr exakt. Wo im Englischen ein Begriff oft ein breites Wortfeld abdeckt und erst im Zusammenhang mit anderen Worten oder der Situation Ihren eindeutigen Sinn erhält, gibt es im deutschen oft für einzelne Begriffe ein großes Repertoire an Synonymen.
Ich habe erst sehr spät begriffen, das das deutsche Wort Tauschring die bestehenden Inititativen, die sich selbst mit diesem Begriff bezeichnen, nicht wirklich treffend beschreibt. Mein Ursprungstauschring - der Tauschring LOWI in Münster - bezog sich wie viele Andere direkt auf den Begriff "Local Exchange Trading System" des Canadiers Michael Linton.
Dieser Begriff wurde im deutschen aber nicht wörtlich übersetzt. Denn Lokales Wechselseitiges Handels System (abgekürzt LETS) war natürlich viel zu sperrig um diesen Begriff im Alltag zu verwenden. Und nun geschah es. Aus dem LETS, welches sich eindeutig als Lokalgeldsystem verstand, wurde begriffllich ein Tauschring. Vor allem ein Tauschring der hier in Münster sogar mit dem Slogan "Tauschen ohne Geld" beworben wurde. Doch wenn ich der Wortbedeutung Tauschring weiter auf den Grund gehe, komme ich zu einer ganz anderen Deutung.
Denn der Begriff "Tauschen" ist im Deutschen sehr eng definiert. Jemand gibt etwas im direkten Tausch gegen etwas Anderes. Es gibt keine nennenswerte zeitliche Verzögerung zwischen diesen beiden Vorgängen. Doch das was in Deutschland tagtäglich geschieht ist wohl eher ein Verrechnen. Denn zwischen der einen "Tauschaktivität" und dem "Rücktausch" können manchmal Monate vergehen.
Man bekommt also nichts im Tausch, sondern eine Gutschrift auf einem Verrechnungskonto. Somit ist es aus meiner Sicht ehrlicher den Begriff "Verrechnungsring" zu benutzen.
Doch auch den zweiten Teil des Begriffs kann ich mittlerweile nicht mehr mit dem verbinden was in Wirklichkeit geschieht. Denn ein "Ringtausch" bedeutet eben eine Kette von Tauschaktivitäten. Der Erste gibt etwas an dem Zweiten, der Zweite gibt etwas dem Dritten, der Dritte gibt etwas dem Ersten. Das wäre ein Ringtausch.
Doch im Verrechnungsring wird nicht direkt "im Ring" getauscht, sondern über eine Zentrale verrechnet. Jeder "Verrechnungsvorgang" wird an eine Zentrale Stelle gemeldet und dort werden die Vorgänge dokumentiert.
Somit wäre für mich der Begriff "Verrechnungszentrale" der eigentlich Treffendere. Die bisher Tauschringe genannten Gemeinschaften sind aus meiner Sicht somit sehr Zentralistisch organisiert.
Ich höre direkt all die Stimmen, die da sagen: Ist doch Pupsegal was Andreas Artmann zu diesem Thema denkt. Es existieren doch hunderte Tauschringe, die sich eben Tauschringe nennen. Damit scheint es unsinnig auch nur einen weiteren Gedanken dazu zu verschwenden.
Doch wer mir bis hierher gefolgt ist, sollte noch einen kleinen Moment Geduld haben. Denn für mich persönlich erklärt sich eben aus dieser Begriffsverwirrung - oder besser Verständnisverwirrung - warum die ursprüngliche Tauschringidee in Deutschland eigentlich seit über 20 Jahren stagniert.
Es gab 1998 ca. 300 - 400 Tauschinge und es gibt heute nicht viel mehr. Ja im Moment erlebe ich geradezu eine mittleres Sterben in der Tauschringlandschaft. Die großen Webseiten Tauschring-Archiv.de, Tauschring.de, Tauschringe.de und auch Tauschringe.orgsind nicht mehr erreichbar, das Portal Tauschen-ohne-Geld.de ist abgeschaltet, das letzte Treffen auf Bundesebene fand 2014 statt.
Wenn ich in unsere Nachbarländer schaue, dann gibt es fast überall eine lebendige Szene. Es wird geforscht, Projekte werden entwickelt und durchgeführt. Doch in Deutschland bleibt es zu diesem Thema weitetgehend dunkel.
Nee, eben nicht. Da sitzt jemand in einem kleinen Dorf (300.000 Einwohner) im Münsterland und forscht ... und fragt ... und schreibt ... und versucht mit einer kleinen Taschenlampe etwas Licht ins Dunkel zu bringen.
Eigentlich schien mir die Arbeit nach den ersten beiden Beiträgen schon getan. Denn wenn es ja offensichtlich - zumindest aus meiner Sicht - gar keine Tauschringe gibt und zusätzlich die Intentionen völlig unklar sind, was bleibt dann zu sagen? Das Gefühl bei dieser Frage kommt mir doch sehr bekannt vor. Denn wie schrieb ich schon im März 2016 in der letzten Ausgabe des Tauschmagazins:
Die Vorstellung, meine gesammeltes Wissen und meine Erfahrung könnten auf einmal wertlos sein, hat mich in meinen Grundfesten erschüttert.
Dieses Gefühl beschleicht mich gerade wieder. Gestern habe ich ohne Ende Skizzen für Beiträge vernichtet. Denn Sie bezogen sich auf etwas, das schon vergangen ist oder sich gerade in der Auflösung befindet.
Doch wenn ich mich dieser Leere hingebe und erinnere, das zum Beispiel in der Natur nichts wirklich verschwindet sondern nur zu Kompost transformiert wird, schöpfe ich neue Schaffenskraft. Wenn ich nun das Vergangene wirlich loslasse und mich zuerst einmal auf das Finden meiner Intentionen und meiner Begriffe einlasse, kann vielleicht etwas Neues aus dem Alten entstehen.
Ich muss zugeben dass auch ich am Anfang meiner persönlichen "Tausch-Geschichte" meine Intentionen nicht klar hatte. Ich bin erst im Laufe der Jahre durch fortwährendes Scheitern darauf gestossen worden immer wieder meine eigene Motivation zu hinterfragen. Mittlerweile würde ich meine Hauptintention als die Suche nahc einer nachhaltigen, menschlichen Gemeinschaft beschreiben. Schon füh bin ich auf das Buch "Individuelle Solidar-Kreise-Entwurf einer alternativen Gesellschaftsform" von Beate Stricker aufmerksam geworden. Hier findet Ihr eine Inhaltsangabe. Leider ist dieses Buch nicht mehr erhältlich.
Mir gefällt, dass Sie von Kreisen spricht und nicht von Ringen. Denn ein Kreis umschließt alles was in ihm enthalten ist. Bei einem Ring bestehtjedoch nur kurzzeitiger Kontakt zwischen einzelnen Individuen. Noch besser gefällt mir der Begriff Gemeinschaft, da ich mich in einem Kreis auch zufällig befinden kann.
Zum Eintritt in eine Gemeinschaft bedarf es - nach meinem Empfinden - einer bewussten Entscheidung.
Und bevor man dieser Gemeinschaft beitritt, bedarf es einer möglichst klaren Beschreibung "Gemeinschftsintention". Denn erst wenn sich diese Gemeinschaft mit Ihren Normen und Regeln klar positioniert, kann ich überhaupt entscheiden, ob diese Gemeinschaft für mich die Richtige ist. Vor diesem Hintergrund erklärt sich auch meine wechselvolle Lebensgeschichte. Denn in jungen Jahren - bis ich mit 30 seßhaft wurde - bewegte ich mich intuitiv sehr oft ausserhalb jedweder Gemeinschaft.
Als weichlicher Junge - früher hieß das wohl Heulsuse - hielt ich mich schon alleine aus Selbstschutz immer ausserhalb der Junges-Gemeinschaft auf. Nur so konnte ich meine Sensitive Persönlichkeit schützen. Als weichlicher Erwachsener floh ich so oft ich konnte die "Männergemeinschaft", die mir ob Ihrer vordergründigen Rabiatheit und Schein-Männlichkeit auch heute noch unbegreiflich erscheint.
Nach kurzen Phasen des Geldverdienens auf Maschinenbaumontage reiste ich ruhelos an die unmöglichsten Plätze dieser Welt ohne genau zu wissen nach was ich suchte. Ich wollte nur weg aus Deutschland, raus aus der kleinbürgerlichen Enge und hoffte irgendwo einen Ort zu finden zu dem ich gehöre. Ich habe unglaublich schöne Plätze und Naturschauspiele gesehen, ich habe mich an den schillerndsten Farben berauscht, die wundersamsten Tiere gesehen und dennoch war ich immer ein Fremder, reiste oft wochenlang ohne ein Wort in meiner Muttersprache zu hören, ja sogar manchmal Tagelang ohne überhaupt ein eiziges Wort zu sprechen. Es war ein Leben fern jeglicherGemeinschaft, am Anfang aufregend und voller Abenteuer, doch wohin ich auch reiste, ich konnte nirgends ankommen. Immer fehlte etwas.
Und dann eines tages - ich war gerade mit einem Motorrad auf der Trauminsel Bali unterwges - passierte etwas mit dem ich niemals gerechnet hätte. Ich hatte urplötzlich eine unbändige Sehnsucht. Mitten im schönsten Paradies hatte ich plötzlich keinen görßeren Wunsch als einen Tannenwald im Morgentau zu riechen. Dieser unverwechselbare Geruch den ich in meiner Jugend im MÜnsterland so oft gerochen hatte.
Ich weiß nicht mehr wieviele Jahre ich da schon auf der Suche war, niemals hatte ich solch ein starkes Gefühl von Zugehörigkeit, ja von Heimat empfunden.
So kam ich also mit dreißig Jahren nach Münster in Westfalen und wurde seßhaft. Ich stieg in eine Unternehmergemeinschaft ein und glaubte nun den richtigen Weg gefunden zu haben. Doch leider hatte ich die Rechnung ohne den Wirt gemacht. Meine Unternehmergemeinschaft, in die ich so gutgläubig eingestiegen war, entpuppte sich nach einigen Jahren als richtiggehende Katastrophe. Ich hätte auf die Warnung meines Vaters hören sollen. "Bei Geld hört die Freunschaft auf!!" hatte er mich beschworen und mich dennoch finanziell unterstützt. Am Ende hat mich diese Gemeinschaftserfahrung gute 100.000 DM geköstet an denen ich die nächsten 15 Jahre zu knabbern hatte. Aber ich will mich nicht beklagen.
Eine kleinere Katastrophe hätte mich womöglich viel länger leiden lassen. Bei diesem Ausmaß jedoch war die Lehre daraus sehr tiefgreifend. "Schau Dir genau an mit wem Du Dich einläßt, mit wem Du eine Gemeinschaft eingehst."
Meine nächste Gemeinschaftserfahrung war die Übernahme eines Konkursunternehmens. Als alleiniger Geschäftsführer und Mehrheitsgesellschafter , so dachte ich, werde ich die Sache mit meinem kaufmännischen Geschick und meinem Organisationstalent schon ins Rollen bringen. Meinem Sinn für Gemeinschaft folgend, beteiligte ich die Belegschaft am Unternehmen. Ich glaubte damals noch dass alle Menschen ein natürliches Bedürfnis nach gemeinschaftlichem Handeln haben. Doch nach kurzer Zeit - als meinen Mitarbeitern die Verantwortung dahinter bewusst wurde - gaben Sie Ihre Geschäftsanteile an mich zurück.
Ein Leben als einfacher Mitarbeiter war Ihnen dann doch lieber.
Nun gut dachte ich, dann eben nicht und gab Gas ohne Ende. Im Grunde war ich sehr erfolgreich, denn aus einem schrottreifen LKW und vier Mitarbeitern entwickelte ich innerhalb von drei Jahren eine kleine Flotte vin drei LKW´s und einen Belegschaftsstamm von fünfzehn Menschen.
Doch auch dieses mal hatte ich die Rechnung ohne den Wirt gemacht. Allerdings war der Wirt nun kein Mensch, sondern das an und für sich. Da ich zu 100 % fremdfinanziert war, konnte ich das aufgenommene Kapital trotz des augenscheinlich sehr positiven Wachstums nicht bedienen.
Meine Antwort war Selbstausbeutung. Ich arbeitete am Ende ca. 320 Stunden im Monat und konnte das Geldproblem totzdem nicht lösen. So kam es wie es kommen musste. Ich brach eines Tages unter der stetig steigenden Arbeitsbelastung einfach zuammen. Zu meinem großen Glück spielte mir das Schicksal in die Hände udn durch äussere Umstände war ich plötzlich mein ganzes Unternehmen innerhalb von wenigen Tagen los.
Im ersten Moment - so dachte es in meinem Kopf - wieder eine Katastrophe. Heute sehe ich es als Rettung in letzter Sekunde an.Denn im Grunde rettete ich dadurch meine Gesundheit und irgendwann erkannte ich die ungeheure Freiheit die mir mein Leben plötzlich bot.
Nach diese negativen Gemeinschaftserfahrungen aus meiner Vergangenheit sah ich ein, dass eine Gemeinschaft nur in einer Gruppe von gleichgesinnten entstehen kann. Nun zu dieser Zeit habe ich angefangen mich für das "Tauschring" zu interessieren. Hier schienen sich ja bereits Menschen zusammen gefunden zu haben, denen die Bildung einer Gemeinschaft ein Anliegen ist. Mich fasziniert ja auch bis heute das befreiende Moment hinter dieser Idee. Auch nach allem was ich bisher gerlernt habe und in meinen Artikeln beschrieben habe, glaube ich immer noch, dass die eigentliche Kraft der ursprünglichen "Tausch-Idee" noch nicht freigelegt ist.
Das nehme ich jetzt mal als Arbeitsauftrag an mich selbst:
Wie genau muss eine menschliche Gemeinschaft beschaffen sein, dass Sie unseren ursprünglichen Winsch nach kooperativem Zusammenleben befördert?
Welche Regeln und Absprachen braucht es um den solidarischen Gemeinsinn nicht nur zu entwickeln, sondern auch nachhaltig zu sichern?
Welchen Namen könnte man einer solchen Gemeinschaft geben, um möglichst von vornherein die richtigen Menschen anzuziehen?
Eigentlich hatte ich gehofft am Ende dieses Beitrages einen schönen Begriff gefunden zu haben. Oder vielleicht sogar einen alte Begriffsidee von mir wieder hervorzukramen und "endlich" als richtig und treffend zu empfinden. Doch jetzt kann ich mit diesen offenen Fragen sehr gut leben. Könnte diese Offenheit doch andere Menschen anregen sich ebenfalls Gedanken zu diesem Thema zu machen. Ich glaube das würde mich am meisten freuen.
Also her mit euren Gedanken und Worten. es kann doch nicht sein, dass ich der einzige bin, der an die latente Existenz einer solidarischen Gemeinschaft in Deutschland glaubt, oder? Sie existiert da bin ich völlig sicher. Wir leben Sie gerade nur nicht!
Als ich 1997 den Münsteraner Tauschring LOWI entdeckte, näherte ich
mich dem Thema Tauschring als Unternehmer. Heute betrachte ich das
Phänomen „Tauschring“ eher aus dem soziologischen Blickwinkel. Ich
schreibe diesen Artikel aus einer sehr persönlichen Sicht. In der
Rückschau kann ich viele meiner Erfahrungen aus einer neuen Perspektive
betrachten und somit vielleicht anderen Menschen hilfreiche Hinweise
geben.
Auch wenn es in meinem Leben erst sehr spät relevant geworden ist,
stelle ich eines voran: Es gibt nicht “den Tauschring”, sondern eine
kunterbunte Vielfalt an verschiedensten Konstruktionen, die sich unter
dem Begriff Tauschring oder auch Zeitbank finden lassen. Bei meinem
ersten Kontakt mit einem Tauschring glaubte ich, alle anderen
Tauschringe in Deutschland seien nach demselben Muster gestrickt wie der
Tauschring, dem ich gerade beigetreten war. Erst in späteren Jahren,
als ich anfing, mich mit anderen Tauschringen zu beschäftigen und auch
die Bundestreffen der Tauschringe zu besuchen, entdeckte ich die
Verschiedenheit in der Tauschringlandschaft. Diese teils verwirrende
Vielfalt speist sich aus unterschiedlichen Quellen, auf die ich nun
näher eingehen möchte.
Unterschiedliche Entstehungsgeschichte
Ein Teil der Gründungsväter bezog sich auf geldreformerische Ideen,
andere orientierten sich eher an den Zeitbanken in Amerika und wieder
andere an den Ideen von Michael Linton aus Kanada. Linton erfand das
sogenannte Local Exchange Trading System (LETS). Ohne hier tiefer in
die einzelnen Ansätze einzusteigen, erscheint es mir wichtig, darauf
hinzuweisen, dass es DEN Tauschring an und für sich nicht gibt.
Veränderungen werden in der Gruppe nur schwer wahrgenommen
Zu dieser frühen Verästelung kommt erschwerend hinzu, dass sich die
Gründungsgeneration aus den späten 90er Jahren im Lauf der Jahre immer
mehr zurückgezogen hat, als sie ihre Wünsche nach einer wirksamen
Alternative zum bestehenden System unerfüllt sah. Im Gegensatz zu
anderen Ländern, in denen die alternativen Ansätze staatlich gefördert
wurden, gibt es in Deutschland bis heute keinerlei wahrnehmbare
staatliche oder wissenschaftliche Unterstützung. Es entstanden Brüche
und Regeländerungen, die wesentlich zur Veränderung der Initiativen
beitrugen. Vielfach sind aus systemkritischen Tauschringen oder
Lokalgeldsystemen dann sogenannte Nachbarschaftsringe entstanden, die
zwar teilweise ihr altes Regelwerk noch mitschleppen, aber nicht
wirklich leben.
Seit der letzten Gründungswelle Anfang der 1990er Jahre hat sich die
Welt verändert. Ein Teil der gemeinschaftsbildenden Funktion von
Tauschringen hat sich in die digitale Welt verlagert. Gleichgesinnte
vernetzen sich heute über Soziale Medien. Des Weiteren gibt es in der
Gesellschaft einen immer stärkeren Trend zu kurzfristigem und
projektbezogenem Engagement. Der Wunsch, sich langfristig einer
Gemeinschaft zu verpflichten, schwindet mehr und mehr.
Ungeklärte Begrifflichkeiten
Selbst nach über 20 Jahren Tauschringgeschichte und vielen
Bundestreffen ist es bisher nicht gelungen, auch nur annähernd genaue
Begrifflichkeiten für die Konstitutionen der existierenden
Tauschringsysteme zu definieren. Für mich gehören die sogenannten
Zeitbanken auch zu den Tauschsystemen und werden daher in diesem Artikel
nicht gesondert behandelt.
Zitat Tauschwiki.de:
“Der Begriff Tauschring wird uneinheitlich verwendet. Als
Selbstbezeichnung finden sich auch LET-System, Tauschkreis,
Verrechnungsring, Kooperationsring, Zeitbörse, Nachbarschaftsbörse, Gib
und Nimm, Tauschnetz und viele andere. Manche sprechen auch
verallgemeinernd von Tauschsystemen.”
In meiner eigenen Geschichte zogen mich der Begriff „Lokale
Wirtschaftsinitiative“, mit dem unser Tauschring damals warb, und der
Slogan „Tauschen ohne Geld“, magisch an. Heute sehe ich, dass LOWI weder
eine Wirtschaftsgemeinschaft war, noch dass ohne Geld getauscht wurde.
Doch dies kann ich nur sehen, weil ich mich intensiv mit den benutzten
Begrifflichkeiten auseinandergesetzt habe. Je tiefer ich ins Thema
eingestiegen bin, desto mehr wurde mir bewusst, dass es eine wirkliche
Begriffsverwirrung in der Tauschringgeschichte gibt.
Dazu möchte ich eine kleine Geschichte erzählen, die mir die Augen
geöffnet hat. Im Jahr 2016 war ich als Referent für das Thema „Die
Zukunft des Tauschens“ zum Jahrestreffen der Schweizer Tauschringe
eingeladen. Da ich schon morgens anwesend war und mein Vortrag erst
nachmittags anstand, hörte ich den Gesprächen zu. Zuerst ohne besondere
Aufmerksamkeit. Doch nach und nach wurde mir immer deutlicher, dass in
dem Gesprächskreis zwei völlig verschiedene Verständnisse von ein und
demselben Begriff existierte. Die Schweizer nennen Ihre
Verrechnungseinheiten meistens „Talent“.
So sprach ein Teil der Anwesenden – ziemlich genau die, die einen
wirklichen Wirtschaftsring initiiert hatten – von Talenten und
Talentbuchhaltung in einer Bankersprache, und es wurde deutlich, dass
Sie eigentlich „Geld“ meinten. Ihr Umgang mit Regeln und Konsequenzen
war klar, und sie forderten auch klare Konsequenzen bei Regelverstößen.
Interessanterweise benutzte ein anderer Teil – bei weitem der Größere –
die gleichen Begriffe, legte Sie aber viel weicher aus und ging mit
Regelverstößen sehr inkonsequent und vermittelnd um.
Als ich dann nach der Pause meinen Vortrag halten sollte, stellte ich
stattdessen diese Wahrnehmung zur Diskussion. Bei einer Abfrage mit
Handzeichen stellte sich heraus, dass 95 % der Anwesenden aus „Sozialen
Gründen“ in einen Tauschring eingetreten sind. Erst durch meine
Nachfrage wurde diesem Teil bewusst, dass Sie die Begriffe „Talent“ und
„Buchhaltung“ mit ganz unterschiedlichen Intentionen benutzten. Dabei
wurde mir klar, dass die jahrzehntelangen Diskussionen in meinem eigenen
Tauschring und auch auf den Bundestreffen genau durch dieses Problem
niemals zu einem Ergebnis kamen.
Wenn ich jetzt diese Erkenntnis auf den Begriff „Tauschring“ beziehe, sehe ich auch dort Verwirrungspotenzial. Denn ein Tauschring ist in Wirklichkeit eher als Verrechnungsring konstituiert. Es werden dabei ja lediglich Leistungsversprechen dokumentiert. Auch der Begriff Zeitbank ist in der deutschen Sprache aus meiner Sicht nicht treffend. Denn Zeit kann man nicht sparen oder in irgendeiner Weise festhalten. Auch bei einer Zeitbank kann man eigentlich nur Versprechen dokumentieren. In beiden Fällen gibt es keinen wirklichen Gegenwert. Der eigentliche Wert in beiden Zusammenhängen ist die soziale Gemeinschaft. Der Wert von dokumentierten Versprechen – sei es in Talenten oder in Zeitstunden – hängt einzig und allein von der Beständigkeit der Gemeinschaft ab. Solange die Gemeinschaft existiert – und auch floriert – stellt das „Guthaben“ einen Wert dar. Allerdings nur, wenn sich Bedürfnisse und Angebot decken.
Für den Kontakt mit bestehenden Tauschringen und Zeitbanken empfehle ich also erhöhte Aufmerksamkeit bezogen auf die verwendeten Begriffe. Tauschringe, die von „Währung“ und Zeitbanken, die von „Zeit sparen“ sprechen, Können soziale Experimente sein. Dahinter kann sich aber auch ein Geld-theoretisch motiviertes Experiment verbergen, das mit einer selbstverwalteten Gemeinschaftswährung eine Alternative zum staatlich regulierten Euro schaffen möchte..
Tauschringe werden aus einem Bauchgefühl umgestaltet
Hatten sich die Gründungsmitglieder noch intensiv mit dem Verständnis
von Wirtschaft und Finanzwesen auseinandergesetzt, folgten spätere
Leitungsgruppen oft eher ihrem Bauchgefühl und ließen sich durch ihr
eigenes Verständnis von einem Tauschring leiten. Auch dadurch haben sich
viele Tauschringe im Laufe der Zeit wesentlich verändert.
Digitale Medien verändern die Welt
Zu diesem Potpourri aus Einflussgrößen kommt erschwerend die
Entwicklung der sozialen Medien und das immer kurzfristigere und
projektbezogenere Engagement der Menschen hinzu.
Aus der Geschichte lernen
Der Tauschring als Experimentierraum für alternative soziale
Strukturen hat in den letzten 20 Jahren zahlreiche Ergebnisse geliefert,
aus denen man einiges lernen kann.
Der Tauschring als Solidargemeinschaft
Tauschen im erweiterten Sinne funktioniert, solange es keine
Gemeinschaftswährung gibt. Der Tauschring als soziales Netz, das eine
gewisse Vertrauensbasis für die Beteiligten schafft und Kontakte
herstellt, funktioniert durchaus.
Viele Tauschringe scheitern am fehlenden Gemeinschaftssinn.
Die einen erwarten ganz selbstverständlich, dass ihre
Verbindlichkeiten »gestrichen« werden, wenn sie sie nicht mehr
begleichen können.
Die anderen sind Helfertypen, die gerne einseitig geben, aber von den Objekten ihrer Hilfe keine Gegenleistung annehmen.
Die einseitige Versorgungsmentalität von Fordernden und Helfenden
widerspricht dem Gedanken des “Tauschrings” als einer Gemeinschaft
(Ring), wo jeder gibt und nimmt (Tausch).
Sobald es eine Gemeinschaftswährung gibt, muss sich die Gemeinschaft
auf Regeln einigen, wie diese genutzt werden darf. Der praktische Wert
der Währung hängt von der Größe des gemeinschaftsinternen Marktes, der
Bereitschaft zur Erfüllung von Verbindlichkeiten und der
Durchsetzbarkeit der Regeln ab. In der Praxis gibt es keine Beispiele,
wo diese Gemeinschaftswährungen langfristig wirklich funktioniert haben.
Meist geben die Kontostände und -bewegungen einen Einblick über die
wirtschaftliche Dynamik. Viele Leute tauschen überhaupt nicht (geringe
Umsätze), einige wenige Superaktive (»Pluskonten«) subventionieren
einige wenige Superkonsumenten (»Minuskonten«), nur eine Minderheit
tauscht im Sinne von Geben UND Nehmen (hohe Umsätze, ausgeglichene
Konten)
Der Tauschring als Geldersatz
»Tauschen ohne Geld« ist in der Praxis ein zentralistisches
Buchhaltungssystem, das ein elektronisches Buchgeld schafft. Es ist
eine Gemeinschaftswährung, deren Nutzen – wie bei allen anderen
Gemeinschaftswährungen – vom Engagement der Mitglieder der Gemeinschaft
abhängt
»Zeitgeld« wird in der Praxis nicht nur für Lebenszeit verwendet. An
irgendeiner Stelle schummelt sich eine Umrechnung in Euro ein oder es
wird als Tauschmittel für Waren akzeptiert. Damit ist es in der Praxis
eben auch nur eine Gemeinschaftswährung, mit allen Problemen.
Erstaunlich viele Teilnehmer verwechseln einen Tauschring mit einer
Wohlfahrtseinrichtung. Sie erfinden ein aus dem Nichts geschöpftes
Grundeinkommen oder erwarten ganz selbstverständlich, dass ihre
Verbindlichkeiten »gestrichen« werden.
Der Tauschring als Lernort
Im Umgang mit der Gemeinschaftswährung spiegeln sich
gesellschaftliche Diskussionen über die Bedeutung von Geld, über
Geldschöpfung, über den Wert von Arbeit, den Umgang mit Schulden und den
Anspruch auf Versorgtwerden durch die Gemeinschaft wider.
Wenn ich nun auf die vergangenen Jahre zurückblicke, entsteht in mir
der Wunsch, Ihnen einige Hinweise zur Orientierung zu geben.
Intentionen klären
Warum will ich in einen Tauschring?
Ich finde es sehr wichtig, dass ein Mensch zuerst seine eigenen Intentionen hinterfragt.
Was suche ich in einem Tauschring? Was ist mein persönlicher Vorteil,
wenn ich dort mitmache? Womit und wie intensiv möchte ich mich
einbringen? Bin ich eher der zurückhaltende Typ, der Anstöße von außen
benötigt? Oder bin ich der kommunikative Typ, der Impulse setzen kann?
Bin ich jemand, der eher Bedürfnisse erfüllt bekommen möchte? Oder
jemand, der viele Fähigkeiten und Talente besitzt, die er ausleben
möchte?
Ist für mich nicht eventuell eine losere Verbindung (z.B.:
nebenan.de) das Richtige? Kann ich meine Bedürfnisse vielleicht mit
Hilfe der sozialen Medien erfüllen?
Nachdem ich mich mit diesen Fragen – vielleicht wirklich auch
schriftlich – auseinandergesetzt habe, kann ich viel besser nach
passenden Initiativen Ausschau halten.
Sehr wichtig finde ich auch die Frage: Was glaube ich in diesem
Tauschring zu finden? Denn meistens ist es zielführender, einer anderen
Initiative beizutreten, als zu versuchen, den vorgefundenen Tauschring
nach seinen eigenen Bedürfnissen umzugestalten. Der daraus resultierende
Richtungsstreit zermürbt ganze Tauschringe.
Ausrichtung, Größe und geographische Ausdehnung wahrnehmen
Worauf ist der Tauschring ausgerichtet? Soziales Miteinander oder
wirtschaftliche Kooperation? Wie viele Mitglieder hat der Tauschring und
welche Entfernungen müssen überwunden werden?
Folgende Merkmale weisen meiner Ansicht nach eher auf einen sozial orientierten Tauschring hin:
der Mensch ist wichtiger als die Organisation
die persönlichen Treffen sind das Wichtigste
wird oft von Kümmer*innen sehr familiär geführt
Regeln werden menschlich ausgelegt
nicht größer als 60 – 80 Mitglieder, meistens 30 – 50
sind oft auf einen Stadtteil oder eine Begegnungsstätte bezogen
In meiner Wahrnehmung gehören die meisten Tauschringe in Deutschland
dazu. Die größte Gefahr für solche Gemeinschaften sind Autokraten, die
nach und nach die Gestaltung an sich reißen und den Tauschring nach
ihren persönlichen Vorstellungen und Bedürfnissen umformen. Ein
wirksames Mittel dagegen kann das konsequente Einsetzen einer
Doppelspitze sein.
Bei den folgenden Aussagen würde ich eher einen wirtschaftlich orientierten Tauschring vermuten:
orientiert sich am Geldkreislauf
die professionelle Organisation hat einen sehr hohen Stellenwert
die Verbindlichkeit der Regelungen ist wichtiger als der einzelne Mensch
teilweise werden gedruckte Gutscheine ausgegeben
ist auf eine ganze Stadt oder Region bezogen
experimentieren mit Grundeinkommen
Gab es am Anfang der neuen Blütezeit der Tauschringe ab 1996
sicherlich noch viele davon, sind diese wirtschaftlich orientierten
Tauschringe heute nur noch vereinzelt zu finden.
Falls Sie in Ihrem Umfeld keine passende Möglichkeit finden, sich in
eine bestehende Initiative einzubringen, und Sie deshalb über die
Gründung einer neuen nachdenken, so möchte ich Ihnen folgende Fragen mit
auf den Weg geben:
Was will ich/wollen wir konkret erreichen? Woran können wir erkennen,
dass unsere Wünsche und Ziele erfüllt wurden? Welche
Konstruktionsmerkmale sollte unser Tauschring haben? Welche Ausrichtung
ist uns wichtig? Wie groß soll er werden? Soll er sich auf die
Nachbarschaft beziehen, auf das Stadtviertel oder auf die ganze Stadt?
Welchen Namen soll er tragen? Wollen wir Ihn Tauschring nennen oder
vielleicht doch lieber Nachbarschaftsring? Im Hinblick auf die
gemeinschaftsstiftende Intention der Tauschringidee sind vielleicht die
nachfolgend aufgeführten Beispiele für Sie interessant.
Auf der Webseite der „Studiengesellschaft für Projekte zur Erneuerung
der Strukturen“ – kurz SPES genannt – werden aktuell 20 Zeitbanken
gelistet (http://www.spes.de) Dieses Zeitbank-Modell, das vorrangig die
solidarische Gemeinschaftsbildung im Auge hat, ist damit gerade sehr
erfolgreich. Doch die Verwendung des Begriffs „Bank“ in Verbindung mit
der Zeit finde ich nach wie vor irreführend. Allerdings wird bei diesem
Modell sehr darauf geachtet, dass bei jedem Mitglied „Fähigkeiten“ zu
entdecken sind, die durch eine Zeitgutschrift wertgeschätzt werden. Das
Hauptaugenmerk liegt hier eben nicht auf „Zeit sparen“, sondern auf dem
zeitnahen Geben und Nehmen. Diese Gruppen sind relativ klein und
verstehen sich eher als Gemeinschaft von Gleichgesinnten denn als
Tauschring.
Ein wunderbares Beispiel für einen lebendigen Tauschring, der vom Gemeinschaftssinn geprägt ist, ist für mich der Tauschring Hamm, bei dem auf einem monatlichen Fest zuerst die organisatorischen Belange geklärt werden, im Anschluss alle ein gemeinsames Abendessen genießen, und danach tauschen und tanzen alle. Bei diesen Treffen sind regelmäßig 60 – 80 % der Mitglieder anwesend.
Erkenntnisse aus meinen Erfahrungen mit deutschen Tauschringen
Tauschringe sind als Alternative zum herrschenden System gestartet.
Dabei bestanden oft in einem Tauschring verschiedenste
Selbstverständnisse nebeneinander. Das Spektrum reicht vom Kaufen mit
Ersatzgeld, über das Tauschen, bis hin zur „geschenkten“
Nachbarschaftshilfe. Dabei behindern sich die verschiedenen Sichtweisen
scheinbar gegenseitig. Bisher ist zu wenig herausgearbeitet, wo die
Grenzen zwischen den verschiedenen Verständnissen sind und welche
Strukturen und Werkzeuge für die eine oder andere Intention hilfreich
und fördernd sind.
Die Zukunft des Tauschens – Eine Frage der Beziehung! (aus meiner Sicht)
Anfangs glaubte ich mit dem Tauschringansatz die Probleme unserer
Gemeinschaft lösen zu können. Doch mehr und mehr stellte ich fest: Es
ist nicht entscheidend, ob ich mit Geld bezahle, mit
Verrechnungseinheiten tausche oder ohne jegliche Berechnung schenke.
Viel wichtiger als eine „gerechte“ Entlohnung oder ein ausgeglichenes
Konto ist die Qualität und die Tiefe der Beziehung die diesem
Aus-Tausch zu Grunde liegt.
Für mich haben sich in den letzten Jahren einige Prinzipien
herauskristallisiert, die aus meiner Sicht großen Einfluss auf die
Entwicklung der „Aus-Tausch-Gemeinschaft“ haben.
Vom Regelwerk zum Menschennetz
Lokalgelder (Kaufmännisch geführte Tauschringe) brauchen klare Regeln
und Menschen, die diese Regeln konsequent umsetzen (oder anpassen).
Nachbarschaftsringe brauchen Raum für persönliche Begegnung und konkrete Menschen, die die Kommunikation entwickeln und ständig anpassen.
Vom Begriff Tauschring zum Begriff Nachbarschaftnetz
Der Begriff Tauschring ist aus meiner Wahrnehmung zu unspezifisch. Es
braucht neue (andere) Begriffe um die Vielfalt der Initiativen besser
beschreiben zu können.
Vom System zum Prozess
Es
gibt kein endgültiges
rationales System
sondern nur einen menschlichen
Kommunikationsprozess der
nie zu einem endgültigen Ergebnis kommt.
Die richtigen Fragen stellen
Was will ich für mich und unsere Gemeinschaft erreichen?
Was verstehe ich persönlich unter einem guten Leben?
Welche Bedürfnisse habe ich?
Welche Fähigkeiten habe ich?
Wie organisieren wir den Aus-Tausch?
Wie nachhaltig will ich Leben?
Welche Beziehungen will ich wie Stark aufnehmen?
Die gerade sich wandelnden Prinzipien
Vom ökonomischen Tauschen zum sozialen Beziehungsnetzwerk
Von der hierarchischen Linienorganisation zur kooperativen Organisation eines sozialen Netzwerkes
Der Wandel findet schon statt
Beispiele:
Repair Café - Gemeinsam Dinge kostenlos reparieren
Umsonstladen - Dinge geben und nehmen ohne Verrechung
Transition Town – Viele kleine lokale Lösungen für den Wandel finden
Urban Gardening – Lebensmittel anbauen in der Stadt als Gemeinschaftsprojekt
Sharing – Sich ein Auto, ein Werkzeug, eine Wohnung teilen
Offene Werkstätten – Wieder lernen Dinge selbst herzustellen
Energiegenossenschaften - Die nachhaltige Energiegewinnung wieder in Bürgerhand organisieren
Mein Verständnis von dem Begriff Tauschring
Tauschringe sind (für mich) soziale Experimentiergemeinschaften für ein neues Miteinander!
Ich
verstehe meinen Vortrag als Gesprächsangebot. Ich will möglichst
viel mit den Menschen über die praktischen Auswirkungen auf Ihr
Tauschringleben sprechen.
Der Urversion des nachfolgenden Textes entstand für die Forumsveranstaltung des Bundestreffen der Tauschringe 2005
in Berlin. Die hier vorliegende Version wurde von mir im Nachgang
überarbeitet und entspricht dem aktuellen Stand meiner Betrachtungen.
Ich bedanke mich an dieser Stelle bei Ralf Becker und Prof. Magrit
Kennedy vom Regionetzwerk, die mit Ihren konstruktiv kritischen Rückmeldungen zum Gelingen dieses Textes beigetragen haben.
Einleitung
Kurz zu meiner Person: Ich bin seit 1997 im Tauschring Lowi e.V.in Münster und aktuell 1. Vorsitzender dieses Vereines. Beim Bundestreffen 2004
war ich Sprecher der Koordinationsgruppe und habe die
Plenumsveranstaltungen moderiert. Im Sommer 2004 habe ich die
Fortbildung zum Regionalgeldreferenten begonnen, die ich im Januar 2006
abgeschlossen habe.
Ich kann hier nicht für die Tauschring- oder die Regiogeldbewegung
sprechen, sondern nur von meiner persönlichen Einschätzung und
Erfahrung. Ich möchte vereinfachend Tendenzen aufzeigen. Die Realität
ist natürlich vielfältiger. Diese Tendenzen können jedoch ein wenig mehr
Klarheit vermitteln, wo die unterschiedlichen Schwerpunkte der beiden
Ansätze liegen, und inwieweit es sinnvoll ist, zu einer Kooperation zu
kommen oder eher getrennten Weges zu gehen.
Die TR-Bewegung sucht m.E. noch immer nach Antworten auf folgende
Fragen: Welche Bedürfnisse können durch einen Tauschring für die
Menschen als Einzelne und als Gemeinschaft erfüllt werden? Wie kann man
den Tauschring gestalten, so dass er möglichst vielen Bedürfnissen
entspricht? Wie kann man ihn weitgehend selbstbestimmt und möglichst
ohne Machtmissbrauch organisieren? Welche Gründe sprechen für eine
übergeordnete, bundesweite Struktur?
Ich würde die Tauschringbewegung eher als Graswurzelbewegung, also als
eine von unten her organisierte Bewegung bezeichnen.
Der Regionalgeldbewegung in Deutschland geht eine bis zu
20-jährige Forschungsarbeit von vielen Menschen voraus in der
Komplementärsysteme in aller Welt entstanden und besucht und viele
praktische Erfahrungen in diesen Systemen ausgewertet wurden. Dazu
gehören: Christian Gelleri, Margrit Kennedy, Bernard Lietaer, Thomas
Mayer, Norbert Olah, Dietlind Rinke, und zahlreiche andere. Erst durch
ein praktisches Beispiel, welches Margrit Kennedy aus Australien
mitbrachte, sprang dann aber der Funke über, diese Systeme auch in einem
größeren Maßstab praktisch erproben zu wollen. Im Sommer 2003 ist
daraus eine Netzwerkstruktur entstanden, die ich als eine von wenigen
Menschen geführte Entwicklung von der Idee zur praktischen Umsetzung
erlebe.
Tauschring und Regionalgeldsysteme
sind in mancher Beziehung grundverschieden und in anderer Weise sehr
eng miteinander verwandt. Um die Gemeinsamkeiten und Unterschiede besser
herauszustellen, versuche ich im Folgenden meine Wahrnehmung von
Regionalgeld und Tauschringen zu beschreiben. Hierbei fokussiere ich
mich auf die, m.E. nach, wichtigsten Punkte:
Entstehungshintergrund:
Die Tauschringe sind aus einer Vielzahl von verschiedenen
Grundanliegen entstanden. Je nach Interesse der Gründer stehen sie der
Freiwirtschaft, Sozialen Bewegungen, kommerziellen Barter Clubs oder
konkreten Beispielen aus dem Ausland wie den LET-Systemen nahe. An einer
klaren Definition was ein Tauschring ist, wurde bis 1998 immer wieder
gearbeitet. Das seinerzeits ver-abschiedete und als allgemein anerkannt
geltende „Positionspapier der Tauschringe“ wurde seitdem nicht weiter
entwickelt
.
Die Regiogeldbewegung hat durch die Forschungsarbeit von Margrit
Kennedy und Bernard Lietaer und durch ihr gemeinsames Buch
„Regionalwährungen – Neue Wege zu nachhaltigem Wohlstand“ eine erste
klare Definition, was unter einem Regionalgeldsystem zu verstehen ist,
bekommen. Diese Definition ist zwar inzwischen durch die Arbeit in der
Regiogeldbewegung abgewandelt und verändert worden. Sie wird jedoch im
Großen und Ganzen akzeptiert. Derzeit vollzieht sich auch durch eine
Verbandsgründung, durch die eine klarere Struktur und eine größere
Verbindlichkeit innerhalb des Regionetzwerks erreicht werden soll, ein
Emanzipationsprozess der Bewegung gegenüber der Initiatorin des
Netzwerks.
In der Tauschringbewegung sammeln sich eine Vielfalt von Menschen
und Ansätzen, die von der geldsystemtheoretischen Betrachtung über die
Förderung und Entwicklung von nachbarschaftlicher Hilfe, dem Neubewerten
des Faktors Arbeit bis hin zum Üben des freien Schenkens ohne jegliche
Aufrechnung inspiriert werden.
Die Regionalgeldbewegung arbeitet daran, das Vertrauen von
Konsumenten und Produzenten, von Unternehmen, Bankern und
Wissenschaftlern durch Kompetenz sowohl in praktisch-organisatorischen
wie auch geldtheoretischen Fragen zu gewinnen.
Gründungshintergrund:
In der Gründungsphase von Tauschringen wie Regiogeldinitiativen
finden sich vielfach Menschen zusammen, die in sozialen und
gemeinwohlorientierten gesellschaftlichen Veränderungen in einer
zunehmend ökonomisierten Welt eine Zukunft sehen. Dabei sind Tauschringe
und Regionalgeld Teil einer größeren Vision für eine menschlichere
Welt.
Als Mitglieder in den Tauschringen finden sich vielfach Menschen
ein, die wegen Arbeitslosigkeit oder anderer Gründe nicht mehr oder nur
sehr eingeschränkt am normalen Wirtschaftsleben teilnehmen können, oder
die sich der Geschwindigkeit und den hohen Anforderungen des normalen
Wirtschaftssystems nicht mehr gewachsen fühlen. Ein nicht unerheblicher
Anteil der Mitglieder will durch seinen Beitritt und sein Engagement das
nachbarschaftlich-freundschaftlich geprägte Beziehungsgeflecht in
seinem lokalen Umfeld aktiv fördern.
Als aktive Teilnehmer in den Regiogeldinitiativen finden sich
eher Unternehmer, Wissenschaftler und sonstige engagierte Menschen
zusammen, die es gewohnt sind, sich professionell und effizient zu
organisieren und zu kommunizieren – der soziale Kontakt steht hier
weniger im Vordergrund. Die Mitglieder und Teilnehmer der Initiative
nehmen in der Regel am normalen Wirtschaftsleben teil, haben aber ein
klares Empfinden für die zunehmenden Störungen, die dieses System zeigt.
Ausrichtung:
Grundsätzlich sind beide Bewegungen an einer nachhaltigen Entwicklung
und „Vermenschlichung“ des Wirtschaftssystems interessiert.
Die Tauschringbewegung lebt von einer noch nicht genau
ausdifferenzierten Vision für ein neues Wirtschaften und einen neuen
Umgang losgelöst von den normalen wirtschaftlichen Zwängen, der Sie sich
in der Praxis annähern will. Viele verstehen die Tauschringe dabei als
Experimentierfeld um einen ganz anderen Umgang mit den menschlichen
Bedürfnissen und den vorhandenen menschlichen und materiellen Ressourcen
auszuprobieren.
Die Regionalgeldbewegung orientiert sich sehr stark an den
aktuellen, wirtschaftlichen Gegebenheiten und versucht einen möglichst
nahtlosen Übergang zu schaffen. Dies ist sicherlich auch ein Grund für
den großen Erfolg, die sie im Moment erfährt. Sie schaut mehr auf die
Realität in der bestehenden Wirtschaft und versucht Systeme so
anzulegen, dass sie Vertrauen aufbauen und damit leichter akzeptiert
werden können. Ihr ist der Kontaktaufbau innerhalb einer Region und das
Herstellen neuer Wirtschaftskreisläufe wichtig, soziale Netze sollen
durch Regionalgeld sowohl im regionalen als im lokalen Raum unterstützt
werden.
Primäre Ziele der Tauschringe sind die Stärkung und der Erhalt
lokaler Strukturen im sozialen und gesellschaftlichen Bereich und im
Bereich der lokalen Ökonomie.
Nachbarschaftshilfe - Kommunikation schaffen
Abbau von Schwellenangst und Misstrauen, Isolation und Anonymität in der Nachbarschaft
Austausch zwischen Menschen fördert die Kontakte untereinander
Treffpunkte entstehen
Kontakte zwischen unterschiedlichen sozialen Gruppen und Altersgruppen
Ökonomische und soziale Selbsthilfe - Selbstbestimmung - Selbstverwaltung
Versorgung mit Dienstleistungen und Produkten, die man sich mit dem vorhandenem Einkommen nicht leisten will oder kann
alle Arbeiten und Entscheidungen erfolgen durch die Mitglieder der Tauschringe selbst
Entfalten des Selbstwertgefühls, der Phantasie und Kreativität
Eigene Fähigkeiten und Stärken und deren Vielfalt werden entdeckt und gefördert, vorhandene Ressourcen werden genutzt
Bei den Fähigkeiten ansetzen, nicht beim „Mangel“
Ermutigung zum aktiven Handeln, ökonomisch und sozial
Bieten die Möglichkeit, den Selbstwert nicht ausschließlich über die Erwerbsarbeit zu definieren
Gleichberechtigung / gegenseitiger Respekt
Kein Gefälle zwischen Gebenden und Nehmenden (kein schlechtes Gewissen bei Hilfebedürftigkeit)
sich sowohl der eigenen Fähigkeiten als auch der eigenen Bedürfnisse bewußt werden
Neubewertung von Arbeit und Leben
Kopf- und Handarbeit, Frauen- und Männerarbeit, angeblich weniger qualifizierte Arbeit werden neu eingeordnet
Tauschringe als neue Brücke zwischen bezahlter und ehrenamtlicher Arbeit
Wert der eigenen Fähigkeiten entdecken und für sich und andere
nutzbar machen, unabhängig z.B. von bestehenden Kriterien des
Arbeitsmarktes
Gemeinwesenentwicklung, lokale Ökonomie, Verbesserung der Lebensqualität
Entwicklung nachhaltigen Wirtschaftens
Erfüllen sozialer Grundbedürfnisse
Beitrag zur Entwicklung einer lokalen Agenda 21
Global denken, lokal handeln
Ökologie : Ressourcenschonung durch kurze Wege, Müllvermeidung, Wiederverwerten und gemeinsames Nutzen von Gebrauchsgütern
Soziale Kompetenz der Gesellschaft erhöhen
Sinnvolle Arbeit im Gemeinwesen wird durch ein geeignetes Tauschmittel ermöglicht
Vernetzung von Bewohnern, Projekten und Vereinen auf lokaler Ebene
Förderung lokaler Strukturen
Beitrag zur „Standortsicherung“ durch Verbesserung sozialer Strukturen
Bildungsarbeit zum Zusammenhang zwischen Ökonomie und Leben
Verstehen von Wirkungs- und Funktionsweise des Geldes praktisch erfahrbar machen
Ursachen gegenwärtiger Probleme verstehen, z.B. Arbeitslosigkeit, Umweltstörung, soziale Ungerechtigkeit, Finanznot
Modellversuche für nachhaltiges Wirtschaften
Neue Kooperationsbeziehungen zwischen Privatpersonen,
Unternehmen und anderen Organisationen (z.B. der öffentlichen Hand,
Vereine) eingehen
Modellhaftes Lernen im Erfahren von Versuch und Irrtum
Tauschen macht Spaß...
(Beschlossen auf dem Bundestreffen 1998 in München)
Genauere Ziele der Regionalgeldbewegung setzen sich aus den Leitgedanken und den Qualitätskriterien zusammen:
Warum Regio?
Der Name Regio steht für ein komplementäres Umlaufmittel, das in
den einzelnen Regionen typische Namen der Region annimmt und die
regionalen Kreisläufe in der Region unterstützt. Wir brauchen REGIO
ergänzend zum EUR0 …
um ungenutzte Ressourcen, Fähigkeiten und ungedeckte Nachfrage in der Region zusammen zu bringen,
um die regionale Liquidität zu erhalten und zu erhöhen (Wertschöpfung & Überschüsse bleiben in der Region),
damit die regionale Entwicklung besser vor den Unwägbarkeiten
globaler Finanzspekulation geschützt ist (Ausweg aus der
Globalisierungsfalle durch teilweise Entkoppelung)
um die regionale kulturelle Identität zu stärken,
um soziale, kulturelle und ökologischer Projekte, die im offiziellen System Probleme mit der Finanzierung haben zu unterstützen,
um eine Wirtschaftskultur aufzubauen, die auf Kooperation anstatt auf Konkurrenz baut,
damit viele andere sinnvolle Ziele und Projekte befördert werden
(z.B. Europa der Regionen, regionale Vermarktung von Lebensmitteln,
regionale Wirtschaftsförderung, Kulturentwicklung),
damit die ökonomischen und gesellschaftlichen Vorteile eines anderen
Geldsystems praktisch erlebt und verstanden werden.
Qualitätsstandards für Regiowährungen
Das Regio-Netzwerk ist eine zukunftsorientierte, überparteiliche
Arbeitsgemeinschaft aus Initiativen und Einzelpersonen.
Das Regio-Netzwerk bemüht sich - zur Entwicklung von Regionalwährung und
zur Förderung der Zusammenarbeit mit und von Unternehmen und
Verbrauchern - um einen hohen Qualitätsstandard von Regionalwährungen:
1. Ein Gewinn für die Gemeinschaft: Ziel ist eine sozial und ökologisch nachhaltige Regionalentwicklung.
2. Gemeinwohlorientiert: Alle Gewinne des Rechtsträgers
der Regionalwährung werden gemeinnützigen Zwecken zugeführt,
ehrenamtliche Mitarbeit ist erwünscht.
3. Professionell umgesetzt: Der Regionalwährung liegt
eine tragfähige Konzeption zugrunde und die notwendigen Kompetenzen sind
bei den Mitarbeitenden vorhanden.
4. Transparent für die Nutzenden: Die Regionalwährung
wird allgemein verständlich erklärt, die wichtigsten finanziellen Daten
werden veröffentlicht, z.B. im Internet, und die Organisation ist offen
für Rückkoppelung und Kritik.
5. Demokratisch kontrolliert: Die grundsätzlichen
Entscheidungen werden in demokratischen Verfahren beschlossen, die
Regionalwährung beschränkt sich auf eine überschaubare Region, es findet
eine Überprüfung durch Fachleute statt.
6. Eigenständig finanziert: Auf Dauer wird eine Selbstfinanzierung durch die Beteiligten der Regionalwährung angestrebt.
7. Neutralität im Austausch: Die Neutralität des
Verrechnungsmittels ist über geeignete Instrumente, wie zum Beispiel
eine Liquiditätsgebühr, sicherzustellen.
8. Kreisläufe bildend: Regionale Kreisläufe zur Erfüllung menschlicher Grundbedürfnisse sollen gefördert werden.
Wenn Zweifel bestehen, ob eine Regio-Initiative diese Standards auch
in der Praxis einhält, so entscheidet nach Gründung des Verbands der
Vorstand über einen Verbleib im Regionetzwerk.
(Beschlossen auf dem Netzwerktreffen am 3. und 4. Mai 2005 in Prien.)
Zinsfreiheit
Beiden Bewegungen ist die Zinsfreiheit ein grundsätzliches Anliegen.
Bei einigen Tauschringen ist der Versuch gemacht worden, eine
Umlaufsicherung einzuführen. Nach einiger Zeit ist dies aber in den mir
bekannten Fällen als unpraktikabel angesehen oder nach einer Probephase
abgeschafft worden.
Bei einigen Regionalgeldinitiativen ist die Umlaufsicherung (oder Liquiditätsgebühr) als fester Bestandteil integriert. Bei anderen ist dieser Punkt aber noch umstritten.
Entscheidungstrukturen:
Sowohl in der Regionalgeld- als auch in der Tauschring-Bewegung gibt
es ein stetiges Ringen um angemessene und stimmige
Entscheidungsstrukturen. Vor Ort finden sich eher lose Gruppen, mehr
oder weniger organisierte Initiativen bis hin zu eingetragenen Vereinen.
Erste Regiogeld-Initiativen betreiben nunmehr auch die Gründung von
Genossenschaften.
In der Tauschringbewegung gab es lange Zeit für die Bundesebene
„freiwillig selbst-verpflichtete“ Ansprechpartner, die bei den
Bundestreffen benannt und durch einfache Abstimmung bestätigt wurden.
Verschiedene Versuche, eine Bundesstruktur in Vereinsform zu gründen,
scheiterten. Im Vorfeld des BT in München, 1998, bildete sich eine
organisierte Form von Zusammenarbeit, die „Arbeitsgemeinschaft
Bundesdeutsche Tauschsysteme“, kurz BAG. Diese hat sich ca. 1999 wieder
aufgelöst. Seit dem Bundestreffen 2005 in Berlin gibt es eine
Arbeitsgemeinschaft „Tauschringe im Dialog“, die sich die Entwicklung
und Förderung einer transparenten Kommunikation zwischen den
Tauschringen in Deutschland zur Aufgabe gemacht hat.
In der Regionalgeldbewegung entstand als erstes eine
Netzwerkstruktur. Bisher wurden Entscheidungen mehr oder weniger im
Konsensverfahren getroffen. So lange ein Mitglied ein klares Nein
formulierte, wurde weiter diskutiert. Durchbrochen wurde dieses System
durch verschiedene Ausschluss-Entscheidungen ohne vorherigen Konsens,
wodurch eine intensive Diskussion über die Formalisierung von
Entscheidungsprozessen in Gang gesetzt wurde, die zur Gründung eines
Verbandes führte. Parallel zur Gründung des Verbandes arbeitete eine
Arbeitsgruppe mit den Hauptbetroffenen der Ausschlussentscheidung, was
zu einer Wiederaufnahme der Initiative im Rahmen der Verbandsgründung
führte.
In beiden Bewegungen ist die Struktur wesentlich vom Vertrauen in die
jeweils agierenden Personen abhängig. Treffen diese ihre
Entscheidungen partizipativ und konsensorientiert, so wünschen die
Mitglieder mehr oder weniger basisdemokratische Verfahren und
Strukturen. Besteht aber Misstrauen in die handelnden Personen, zum
Beispiel, weil die Bewegung stark wächst und persönliche Beziehungen
weniger eng werden, so werden hierarchische Strukturen gefordert, die
sowohl das Übernehmen von Verantwortung wie auch Kontrolle ermöglichen.
Transparenz:
Mit Transparenz bei den Tauschringen sind nicht nur alle
organisatorischen und finanziellen Dinge gemeint, sondern auch die
Offenlegung aller Kontenstände. Da Verrechnungen immer direkt mit einem
Tauschpartner stattfinden (und somit keine Gutscheine, die weitergegeben
werden können, oder Ähnliches entstehen), kann jede einzelne
Tauschleistung nachvollzogen werden. Dies führt wieder zu einer Art
sozialer Kontrolle, wie sie in kleinen Dorfgemeinschaften üblich war.
Eine Fälschung von Verrechnungseinheiten ist damit ausgeschlossen.
Die in den Qualitätskriterien der Regionalgelder angesprochene
Transparenz bezieht sich auf die wichtigsten finanziellen Daten und die
Organisation der Initiative. Eine Transparenz in Bezug auf den Fluss des
Regiogeldes gibt es nicht. Möglicherweise ist die Anonymität des
Regiogeldes auch ein wichtiger Faktor für dessen Erfolg.
Funktionsweise und Wirkung:
Bei den Tauschringen gibt es aufgrund der Vielfältigkeit der Bewegung
auch eine Vielzahl von verschiedenen Systemen. Allen gemeinsam ist
(mit Ausnahme der Gib & Nimm Tauschringe, die gar nicht verrechnen),
dass durch eine selbstständig definierte und nur durch Leistung
gedeckte Verrechnungseinheit zusätzlicher Austausch gefördert werden
soll.
Mein Fokus liegt aber bei dieser Betrachtung nicht so sehr auf
den Unterschieden in der Konstruktion der Tauschringe, sondern auf dem
Unterschied bzw. der Kompatibilität zum Regionalgeld. Dabei sehe ich
eine pauschale Betrachtung als unmöglich an. Die verschiedenen
Ausprägungen sind zu unterschiedlich. Ich glaube, jeder Tauschring und
jede Regionalgeldinitiative muss im Hinblick auf eine Kooperation
einzeln betrachtet werden.
Nach meiner Einschätzung sind für die Zusammenarbeit (ob von den
Teilnehmern gewünscht oder nicht, ist noch eine andere Frage) eher die
Faktoren Organisations- und Kommunikationsstruktur sowie Qualität der
Angebote erheblich. Je nach Intention der Beteiligten (Regiogeld wie
Tauschring) sollten vor Ort die Bedürfnisse, Erwartungen und Ziele in
einem gemeinsamen Prozess hinterfragt und abgestimmt werden.
Die Tauschringe orientieren sich sehr stark an den Bedürfnissen
der Menschen und versuchen ihre jeweiligen Systeme möglichst auf die
beteiligten Menschen auszurichten. Durch die oft relativ ungeklärten,
sich vermischenden Wünsche und Erwartungen der Teilnehmer sind viele
Tauschringe intensiv mit internen Prozessen und der Klärung direkter
sozialer Beziehungen bis hin zu Missverständnissen beschäftigt, die eine
gezielte Öffentlichkeitsarbeit und/oder eine Kooperation mit
Regionalgeldinitiativen erschwert.
Die Produkte und Dienstleistungen in den Tauschringen entsprechen nur
zu einem kleinen Teil denen, die auch auf den normalen Märkten
gehandelt werden. Das Hauptaugenmerk liegt hier auf der Entdeckung und
Förderung von verschütteten und vom normalen Markt nicht mehr
abgefragten Fähigkeiten. Hier sind vielfach sehr niedrig schwellige
Angebote und Fähigkeiten wieder etwas wert und die Teilnehmer können
sich durch einfache Tätigkeiten wieder Hilfe in Bereichen organisieren,
die auf dem normalen Markt für sie nicht mehr bezahlbar sind. Außerdem
wird der Aspekt der gegenseitigen Hilfe und der nachbarschaftlichen
Beziehungen sehr hoch bewertet.
Beim Regionalgeld wird durch bewusste Entscheidung und mit einem
relativ hohen Organisations- und Informationsaufwand normales Geld aus
dem Verkehr gezogen (quasi stillgelegt) und die gleiche Menge
Regionalgeld einem regional begrenzten Kreislauf zugeführt. Durch
Aufklärung und eine Umlaufsicherung (wobei diese Frage in einigen
Initiativen noch strittig ist) soll ein stetiger Umlauf der
Ersatzgeldmenge bewirkt werden. Durch den regelmäßigen, regional
begrenzten Gutschein-Fluss sollen in der Hauptsache drei Effekte
erreicht werden: 1. Der Abfluss der erwirtschafteten Kaufkraft an
überregionale oder sogar globale Konzerne soll unterbunden oder
zumindest gehemmt werden. Selbst wenn Filialketten oder andere Global
Players Regionalgeld einnehmen, so können sie es nur in der Region
wieder ausgeben. 2. Durch die regelmäßige Entwertung der Gutscheine,
die nur mit einer prozentualen Abgabe an die Initiative verhindert
werden kann, soll der Fluss der Kaufkraft verstetigt werden. Dies soll
eine Belebung der regionalen Wirtschaft bewirken. 3. Durch die
parallele automatische Abgabe an eine gemeinnützige Institution soll
die soziokulturelle Entwicklung und damit auch die Akzeptanz des
Systems gefördert werden. Gleichzeitig wird versucht, damit die
Aufmerksamkeit für eine gemeinwohlorientierte Wirtschaft zu wecken.
Das Regionalgeldsystem orientiert sich sehr stark an den Bedingungen
der Wirtschaft und versucht, sich direkt an dieses System anzuschließen.
Durch die Konstruktion und die von den Initiativen betriebene
Öffentlichkeitsarbeit bewirkt es allerdings eine höhere Bewusstheit über
die wirtschaftlichen Zusammenhänge und deren (negative) Auswirkungen im
normalen Wirtschaftssystem.
Die Produkte und Dienstleistungen in den Regionalgeldsystemen
entsprechen weitestgehend denen, die auch auf den normalen Märkten
gehandelt werden. Aufgrund der Bewusstheit und des Interesses der
Teilnehmer an ökologischen und nachhaltigen Entwicklungen und der
systembedingten Bevorzugung regionaler Anbieter, kann es zu einer
Verstärkung der Nachfrage nach regionalen und nachhaltigen Produkten
kommen.
Regionalgeldinitiativen fokussieren weniger auf die Klärung
direkter zwischenmenschlicher Beziehungen als auf die mittelbare
Befriedigung von Bedürfnissen über Geld. Dieser etwas distanziertere
Umgang mit menschlichen Bedürfnissen ermöglicht das Erreichen breiterer
Bevölkerungskreise und verzichtet zu einem gewissen Grad auf
unmittelbare, d.h. emotional sehr nahe menschliche Beziehungen.
Zusammenfassung:
Aus der intensiven Beschäftigung mit diesem Thema haben sich
interessante und auch für mich teilweise neue Sichtweisen ergeben. Mir
scheinen für diese Betrachtung hinsichtlich der Kooperation zwischen
Regionalgeldern und Tauschringen folgende Punkte von besonderer
Bedeutung:
Schöpfung der Einheiten
Bei den Tauschringen können jederzeit (im Rahmen der vereinbarten
Limits) anhand der Bedürfnisse neue Verrechnungseinheiten geschöpft
werden. Dies bedeutet eine zusätzliche Nachfrage, die ohne Geldmittel
entstehen kann.
Beim Regionalgeld wird in der Regel (es gibt auch Systeme, die durch
Waren gedeckt sind) schon vorhandenes Geld in einen regionalen
Kreislauf umgelenkt.
Transparenz
Bei den Tauschringen geht die Transparenz sehr viel tiefer und lässt wieder soziale Kontrolle möglich werden.
Beim Regionalgeld entsteht durch die Anonymisierung der
Gutscheine die Möglichkeit, sich der gemeinschaftlichen Kontrolle zu
entziehen.
Vertrauen
Grundsätzlich ist für mich mittlerweile das Vertrauen die wichtigste
Komponente unseres gemeinschaftlichen Zusammenlebens. Ohne ein tiefes
Vertrauen in das Euro-Geldsystem, das Regionalgeld und/oder den
Tauschring kann keines dieser Systeme langfristig Bestand haben.
Tauschringe existieren hauptsächlich auf der Basis des
persönlichen Vertrauens und des direkten menschlichen Kontaktes. Sie
verzeihen somit eher Unzulänglichkeiten der teilnehmenden Menschen oder
des Systems.
Regionalgeld basiert eher auf dem Vertrauen in die Initiative
bzw. das Regionalgeldsystem. Es reagiert daher empfindlicher auf
Störungen durch menschlich-organisatorische Schwächen.
Ausrichtung der Systeme
Tauschringe sind aus der Wahrnehmung (wenn auch oft unbewusst) der
menschlichen Bedürfnisse entstanden. Sie versuchen aus dieser Sicht ein
neues, menschlicheres Wirtschafts- bzw. Sozialsystem zu entwickeln und
neben das bestehende zu stellen.
Beim Regionalgeld wurde das bestehende Wirtschaftssystem analysiert
und durch „technische“ Maßnahmen an die menschlichen Bedürfnisse
angenähert.
Mein Fazit:
Für die Entwicklung einer Kooperation zwischen Regiogeldinitiativen
und Tauschringen halte ich eine genaue Betrachtung der jeweiligen
Initiativen für wesentlich. Die gößten Chancen für eine sinnvolle
Zusammenarbeit sehe ich eher bei marktwirtschaftlich ausgerichteten
Tauschringen, in denen die Organisation und die Verbindlichkeit der
Mitglieder auch professionellen Ansprüchen genügen. Wie intensiv sich
die Zusammenarbeit in der Praxis ausgestaltet, ist stark von den Zielen
und den Bedürfnissen der jeweiligen Menschen vor Ort abhängig.
Die Evaluation von Modellen wie zum Bsp. dem Sterntaler, der
Tauschring und Regionalwährung kombiniert (und dabei erprobt wie hoch
der Anteil der Tauschwährung sein kann, der in das Regionalgeld
überführt werden kann ohne dieses Kooperationsmodell zu
destabilisieren), wird hoffentlich eines nicht zu fernen Tages dazu
führen, dass wir mehr darüber wissen, wie sinnvoll es ist, diese beiden
Systeme zu kombinieren. Bis dahin sollten wir bei Mischmodellen eher
vorsichtig sein.